Gedenken und Erinnern in Eddersheim – Würdige Veranstaltung zum 9. November
Gedenken und Erinnern in Eddersheim – Würdige Veranstaltung zum 9. November
Am Sonntag, 9. November 2025 fand im Pfarrheim St. Martin in Eddersheim die jährliche Gedenkveranstaltung der Stadt Hattersheim am Main und der städtischen Arbeitsgemeinschaft Opfergedenken statt. Etwa 50 Bürgerinnen und Bürger nahmen dieses Mal daran teil und setzten damit ein eindrucksvolles Zeichen für eine lebendige Erinnerungskultur und für den Zusammenhalt in der Stadt-gemeinschaft. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand das Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft sowie an die Ereignisse des 9. Novembers 1938.
Bürgermeister Klaus Schindling eröffnete die Gedenkveranstaltung und hieß die Anwesenden herzlich willkommen. In seiner Rede sprach er vom Innehalten und Besinnen an diesem bedeutenden Tag der deutschen Geschichte, der mit zahlreichen prägenden Ereignissen verbunden ist. Er hob die Bedeutung des gemeinsamen Erinnerns hervor und betonte, dass es die Aufgabe jeder Generation sei, das Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewalt wachzuhalten und sich aktiv gegen das Vergessen einzusetzen. Zudem dankte er allen Beteiligten für ihr großes Engagement und ihren Beitrag zu einer lebendigen Erinnerungskultur. Ein besonderer Dank galt den Eddersheimer Landfrauen, die die Veranstaltung durch die Bereitstellung von Selbstgebackenem ehrenamtlich unterstützt hatten.
Durch den restlichen Nachmittag führte dann Erste Stadträtin und Kulturdezernentin Heike Seibert, welche die Gäste ebenfalls begrüßte und durch das Programm leitete. Mit einem eindrucksvollen Klavierstück von Jonas Brückmann, Schüler der Hattersheimer Musikschule, der ein Werk von Chopin darbot, wurde anschließend der lokalhistorische Teil der Veranstaltung feierlich eingeleitet.
Geschichte begreifbar machen
Im Zentrum der Veranstaltung stand der Vortrag von Stadtverordnetenvorsteher Georg Reuter zur Geschichte des jüdischen Lebens in Eddersheim. Reuter zeichnete ein bewegendes Bild der früheren jüdischen Gemeinde, die über Jahrhunderte ein selbstverständlicher Teil des örtlichen Lebens gewesen war. Er berichtete von Familien, deren Spuren sich in den 1930er Jahren im Zuge der nationalsozialistischen Verfolgung verloren, und erinnerte an die konkreten Schicksale, die sich hinter den Namen der Stolpersteine verbergen. Seinen Vortrag ergänzte er durch bewegende Zeitzeugenberichte, die das Geschehen lebendig werden ließen und den Zuhörerinnen und Zuhörern einen eindringlichen Einblick in die Erfahrungen der damaligen Zeit ermöglichten.
Im Anschluss an den Vortrag fand ein offener Austausch mit dem Publikum statt, den Erste Stadträtin Heike Seibert moderierte. Vereinzelt nutzten die Anwesenden die Gelegenheit, ihre Gedanken und Erinnerungen an die Familien- und Ortshistorie zu teilen und über die Bedeutung der Erinnerung in der heutigen Zeit zu sprechen. Seibert betonte dabei, wie wichtig es sei, den Dialog über die Vergangenheit lebendig zu halten: „Erinnerung darf nicht nur ein Rückblick sein, sondern muss uns auch Ansporn geben, Verantwortung für die Gegenwart und Zukunft zu übernehmen.“ Mit einem beeindruckend wie gefühlvoll interpretierten Musikstück von Rachmaninow schuf der Klavierschüler Dariush Lotfi-Tabrizi eine stimmungsvolle Überleitung zum nächsten Teil der Veranstaltung.
Nun machten sich die Teilnehmenden gemeinsam auf den Weg in die Propsteistraße, um dort verlegte Stolpersteine zu reinigen. Vor Ort wurde durch Helena Neumann-Dreyling, Mitglied der AG-Opfergedenken, und Heike Seibert die Biografie einer Opferfamilie vorgelesen – ein stiller, aber eindrucksvoller Moment, der viele sichtlich bewegte. Die Stolpersteinreinigung bot die Möglichkeit, ein persönliches Zeichen zu setzen und sich aktiv an der Pflege der Erinnerung zu beteiligen.
Im Anschluss bot sich im Pfarrheim die Gelegenheit, bei Kaffee, Kuchen und Gebäck miteinander ins Gespräch zu kommen und das Gehörte gemeinsam zu reflektieren.
In einer offenen und herzlichen Atmosphäre entstanden spannende Gespräche über Vergangenheit und Zukunft, über persönliche Familiengeschichten und gemeinsame Erinnerungen. So wurde der Nachmittag zu einer lebendigen und verbindenden Form des Erinnerns.
Erinnerung in neuer Form
Im Rahmen der Gedenkveranstaltung wurde auch der neue digitale Lehrpfad „Steine erzählen Geschichte(n)“ vorgestellt, den das Referat Kultur der Stadt Hattersheim am Main entwickelt hat. Der interaktive Rundgang, abrufbar über die App Actionbound, führt zu den 19 Stolpersteinen in Eddersheim und macht mit historischen Fotos, Texten und weiterführenden Informationen die Schicksale der Opfer digital erfahrbar – jederzeit, individuell und kostenfrei. Die Macher hoben dabei hervor, dass der digitale Lehrpfad eine anschauliche und zeitgemäße Möglichkeit biete, Geschichte direkt vor Ort erlebbar zu machen. Besonders wichtig sei es, auch junge Menschen für die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit zu gewinnen. Die Tour kann bequem über die App oder per QR-Code auf der Website der Stadt (https://www.hattersheim.de/digitalestadtfuehrungen) aufgerufen werden, sodass jede Interessierte und jeder Interessierte die Geschichten der Stolpersteine ganz individuell entdecken kann. Begleitend dazu, stellten die Organisatoren ihr weiterführenden Angebote zur Auseinandersetzung mit der Thematik vor: Eine digitale Ausstellung zum Pogrom von 1938 in den Hattersheimer Stadtteilen sowie eine Medienausstellung der Stadtbücherei Hattersheim.
Die Veranstaltung zum 9. November in Eddersheim zeigte eindrucksvoll, wie lebendig und engagiert die Erinnerungskultur in Hattersheim gepflegt wird. Stadtverordnetenvorsteher Georg Reuter betont: „Erinnerung lebt nur, wenn wir sie gemeinsam tragen – heute, morgen und in Zukunft.“ So setzte das Gedenken in Eddersheim ein starkes Zeichen für Menschlichkeit und Zusammenhalt; und das auch über den Veranstaltungstag hinaus: Rund um den Gedenktag nahmen sich Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Opfergedenken sowie zahlreiche Bürgerinnen und Bürger Zeit, um im gesamten Stadtgebiet die Stolpersteine zu reinigen und damit die Namen und Schicksale der Opfer wieder sichtbar zu machen.