Elß (auch Elisabeth oder Lies), Johann Höngels Frau

Elisabeth Höngels taucht in den Akten regelmäßig als die Heidersheimer Möllerin auf. Es wird vermerkt, dass sie „Adam Möllers, itzo aber Johan Hongels haußfrau“ sei, also in zweiter Ehe mit Johann Höngels verheiratet war.

Ihr Fall hat für beträchtliches Aufsehen gesorgt, weil sie dreimal vor Gericht stand und ihr Anwalt Sebastian Homberg aus Frankfurt mit seiner Verteidigungsstrategie, die er auf Formfehler begründete, auch juristisch die Fragwürdigkeit der Hexenprozesse aufzeigte.

Sie war bereits im September 1597 von der Thöngessen Krein denunziert worden. Am 28. Dezember 1600 hat dann Bippen Merg aus Kriftel sie während der Folter als ihren Hauptmann benannt. Und Eva Bender aus Niederursel belastete sie ebenfalls in ihrem Verhör ein halbes Jahr später, am 16. Juli 1601, schwer.

Nachdem Bippen Merg sie Ende Dezember 1600 denunziert hatte, wurde Elisabeth Höngels verhaftet und am 8. Januar 1601 im Verhör der Bippen Merg gegenübergestellt. Die Möllerin habe die Konfrontation ohne Weinen ertragen, allerdings eine Komplizenschaft geleugnet, wird protokolliert. Danach wurde sie trotz des weiterhin gegen sie bestehenden Verdachts auf Bitten guter Freunde und „nicht von Rechts wegen“, wie es hieß, wieder freigelassen.

Am 23. Juli 1601 wurde sie nach der neuerlichen Denunziation durch Eva Bender wieder verhaftet. Beim Verhör kamen die Aussagen der Thöngessen Krein und Bippen Merg zur Sprache. Es folgte eine Gegenüberstellung mit der dritten Denunziantin Eva Bender - der einzigen, die noch lebte.

Wie schon bei der Gegenüberstellung mit Bippen Merg traten auch jetzt soziale begründete Aversionen zu Tage. Die Möllerin war im Gegensatz zu Bippen Merg und Eva Bender, die aus ärmeren Verhältnissen stammten, eine wohlhabende Frau. Alle drei Denunziantinnen hatten den Name ihres Buhlteufels mit „Sparpfennig“ angegeben, was nicht nur den Verdacht gegen sie erhärtete, sondern auch auf Neid und Missgunst deutete. Mit den Aussagen der Anderen konfrontiert, gab Elß Höngels zu Protokoll, dass „solches ihr aus Haß beschehen wer“. „Sparpfennig“ oder „Spitzpfennig“ wurden Lasterteufel, besonders Geizteufel, genannt, deren Namen sich in der populären Teufelsliteratur fanden. Eva Bender hatte die Möllerin während der Verhöre und der Konfrontation wegen ihres Reichtums mehrfach des Stolzes und Hochmuts bezichtigt. Von Elisabeth Höngels öngelswurden diese Namen der Lasterteufel in späteren Verhören selbst benutzt.

Nach dem Verhör am 23. Juli kam die Hattersheimerin wieder ins Verließ und klagte: „sie käm nit wieder herauß, Iren freunden und Kindern gute Nacht zu entbotten.“

Eine Woche später, am 30. Juli 1601, wurde sie erneut vernommen. Man meinte, auch bei ihr Anzeichen der Teufelsbesessenheit zu erkennen, weil sie sich mit der Hand Luft zu fächelte, „als ob sie dem Bösen winke“. Schließlich wurde die Folter angeordnet. Dem Knecht des Scharfrichters soll sie bei Beginn der Folterung zugeraunt haben: Ehr soelt sie doch umb pringen“. Weitere Indizien für ihre angebliche Schuld wurden notiert. Sie habe während der Folter keine Tränen vergossen und: „hing stillschweigendt, thet die augen alzeit zu, als ob sie schlieff“. Das interpretierten die Examinatoren argwöhnisch als sogenannten Hexenschlaf. Vermutlich handelte es ich dabei aber um eine Ohnmacht. Denn Elisabeth Höngels war den Qualen der Folter nicht gewachsen. Diese wurde deshalb am späten Nachmittag unterbrochen und am darauffolgenden Morgen fortgesetzt.

Bei der neuerlichen Gegenüberstellung mit Eva Bender am 31. Juli 1601 gestand sie dann, vom Teufel verführt worden zu sein und an Hexentänzen und Schadenszauber mitgewirkt zu haben. Sie sei “hier und dort zum Tanz zwischen Hattersheim und der Krifteler Unterweide gefahren. Ihr Buhlteufel habe Sparpfennig geheißen und nicht mehr von ihr begehrt, als sie auf den Tanz zu führen. Er habe auf dem Eid bestanden, dass sie zu ihm gehöre, er wollte ihr alles geben und sie wohl versorgen. Sie habe dies abgelehnt, weil sie selber genug hätte. Da habe er sie geschlagen, auch als sie nicht Gott abschwören wollte. Dann habe sie aber Gott ab und dem Teufel zugeschworen, sie sei bei ihm im Bett gelegen, wisse aber nicht genau, glaube, daß es ihr Mann war. Bis zur Folterung habe sie nichts gewußt, sich danach aber erinnert. Um geschwind zu den Tänzen zu kommen, habe sie einen Bengel in der Hand gehabt. Den Wein dort hätte sie aus des Schultheißen Keller in Hofheim geholt. Der Teufel hätte die Keller allemal auf und wieder zu gemacht. Vor ihrer Verhaftung sei der Teufel mit ihr auch in der großen Kaufhaus-Stube gewesen, habe ihr dort verboten, nichts zu bekennen, sondern alles zu sagen, ihr werde Recht geschehen. In Hausen habe sie ihren Buhlteufel Spitzpfennig genannt. Den Wein in Hofheim hätte sie verdorben, auch Obst und Getreide. Schließlich bekennt sich die Möllerin selbst als eine Zauberin.“

Das Verhör lief jedoch nicht ohne Unterbrechungen ab. Bevor man sie ins Verlies hinabließ, erklärte sie aber, bei ihrer Aussage bleiben zu wollen. Zur Bekräftigung ihres Geständnisses äußerte sie den Wunsch, beim Pfarrer oder Kaplan zu beichten.

Eine gute Woche später, bei der ersten Verhandlung vor dem Peinlichen Halsgericht am 8. August 1601, ist Elisabeth Höngels so mutig, alles zu leugnen und abzustreiten. Ihr Verteidiger Sebastian Homberg aus Frankfurt berief sich gleichzeitig auf schwere Formfehler der Anklage: Weil es keinem Richter zustehe, Folter anzuordnen, wenn man sich nicht auf mindestens zwei rechtmäßige Zeugen, sondern nur auf die Aussagen von Komplizen stützen könne. Diese seinen ehrlose Personen und unglaubwürdig. Außerdem seien ihm die Aussagen der Denunzianten vorenthalten worden. Die Beklagte sei daher frei zu lassen und habe Anspruch auf Erstattung der Kosten und Schmerzensgeld.

Der Ankläger aus Mainz entgegnete in Bezug auf die Schwierigkeit bei der Suche nach rechtmäßigen Zeugen, dass der Teufel und sein Anhang samt allen seinen ergebenen Hexen allgemein das Licht scheuen. Da sie bei Nacht ihre Zauberei üben und treiben, könne kein ehrlicher Mensch dies sehen, noch hören – es sei denn, er sei ihnen ebenbürtig. Deshalb sei man auf die Aussage von Komplizen angewiesen.

Der Einspruch von Rechtsanwalt Homberg gegen die Zulässigkeit von Tatkomplizen-Denunziationen war nicht nur für diesen Prozess eine ausgezeichnete Verhandlungsstrategie. Er rüttelte damit an der Berechtigung der Hexenprozesse überhaupt, weshalb er auch ankündigte, damit einen „Krieg der Rechte“ heraufbeschwören zu wollen. Tatsächlich war laut der ‚Constitutio Criminalis Carolina‘ von 1532 eine Verurteilung nur möglich, wenn die Angeklagten entweder geständig waren oder von zwei Augenzeugen belastetet wurden. Das Gericht war mit dieser unerwarteten Argumentation überfordert und verwies den Fall an die Mainzer Weltlichen Räte. Bis dahin sollte die Möllerin in Haft bleiben.

Eva Bender aus Kriftel hingegen wurde zur Lebendverbrennung verurteilt. Vor ihrer Hinrichtung soll sie kniend gebetet haben, dass man mit den von ihr denunzierten Personen ebenso verfahren solle, wie mit ihr.

Zwölf Tage später, am 20. August 1601, wurde Elisabeth Höngels erneut ‚gütlich‘ verhört. Bei dem sogenannten Interrogatorium wurde in der Regel ein festgelegtes Fragenschema angewandt. Hatte dieses bei dem Verhör von Bippen Merg im Jahr 1610 mindestens vierundzwanzig Fragen umfasst, so wurde Elß Höngels in ihren Verhören ein Jahr später mit mehreren Schemata konfrontiert: Sie umfassten 20, 31 und 41 Artikel. Bei einer dieser Gelegenheiten und unter großer Belastung muss sie wohl Anna Glitzen aus Hofheim denunziert haben.

Elisabeth Höngels wurde am 30. August 1601 zum zweiten Mal vor Gericht gestellt und überraschenderweise widerrief sie erneut alle Aussagen. Sie hatte erklärt, dass sie nur deshalb gefoltert worden ist, weil sie mehr als einmal angezeigt worden sei. Das Gericht vertagte sich wieder ergebnislos.

Am 2. Oktober 1601 wurde sie mittels Realterrition, bei der der Scharfrichter ihr die Wirkung der Folterinstrumente vorführte, zum fünften Mal verhört. Auch in diesem Verhör gestand sie alle Verbrechen, die ihr angelastet wurden; sprach aber Anna Glitzen von jeder Komplizenschaft frei.

Vor dem Halsgericht musste Elisabeth Höngels dann am 19. Oktober 1601 ihre dritte Gerichtsverhandlung bestehen. Sebastian Homberg war auch diesmal wieder ihr Verteidiger. Die Gegenseite hatte drei Ankläger aufgeboten. Die Entscheidung der Weltlichen Räte, den gesamten Prozess inklusive der Verhöre zu wiederholen, hatte die Verteidigungsstrategie Hombergs allerdings bestätigt und seine Position gestärkt. Erneut machte er die besagten Formfehler geltend und erklärte, das freiwillige Geständnis der Möllerin als irrelevant: es sei „nicht Kelber oder ochsen blut sondern Menschen blut, auch nit weiden kopf die wieder außgeschlagen uf zu zihen.“

Die Angeklagte wiederrief noch einmal - genauso wie am 30. August ihr letztes Geständnis. Sie strafte damit die Examinatoren Lügen, die erklärt hatten, dieses Geständnis sei freiwillig zustande gekommen. Unschlüssig verwies das Halsgericht den Fall wieder zurück an die Weltlichen Räte. Anna Glitzen wurde nach dem Widerruf von Elisabeth Höngels gegen Urfehde freigelassen.

Die Examinatoren wurden danach wegen ihrer angekratzten Glaubwürdigkeit ausgewechselt und am 31. Oktober 1601 wurde Elisabeth Höngels noch einmal verhört - erst in Güte, dann mittels Folter. Wie zweimal zuvor gestand sie wieder, leugnete aber jeden Schadenszauber und widerrief nochmal die Komplizenschaft von Anna Glitzen.

Mit der Protokollierung vom 31. Oktober 1601 schließt die Prozessakte. Nach dem Auf und Ab der Prozessführung wird Elisabeth Höngels aufgrund eines Gutachtens auf „starke Urfehde“ und Bürgschaft von 2000 Talern freigelassen. Bis zu ihrer Freilassung hatte sie also zwei Verhaftungen, gut vierzehn Wochen in Hofheimer ‚Gefängnislokalen‘ - im Turm und „uf der großen Kaufhausstuben“, sechs Verhöre, zwei Mal körperliche Folter und drei Gerichtsprozesse überstanden.

Die Urfehde (‚Bewährungsstrafe‘) bedeutete einen lebenslangen Hausarrest, den sie jedoch mindestens einmal nicht beachtete. Nachgewiesen ist eine Fahrt nach Frankfurt, für die sie eine Strafe von 200 Talern bezahlen musste. Nicht nur in Bezug auf diese aktenkundige Bestrafung stellt sich die Frage, ob, von wem und warum sie angezeigt worden ist.

Fest steht, dass Elisabeth Höngels im Jahr 1616, also fünfzehn Jahre  nach ihrer Verfolgung, noch lebte und sich mehr oder weniger ihrer Freiheit erfreuen konnte. Der Höchster Gerichtsschreiber Balthasar Posch schloss nämlich in diesem Jahr ihre Akte mit der Bemerkung: “do die heiderßheimer kein newe indica uff die Mullerin mit bestand werden vorbringen können sie nicht viel ausrichten werden.“

zurück